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Vom Outing bei meinem Arbeitgeber

Arbeit und Transidentität

Ebenso, wie das vorangegangene Thema, bedeutet der ernsthafte Wechsel der Geschlechterrolle zwingend, sich auf seiner Arbeitsstelle outen zu müssen.

Mein Trans-Weg berichtet gegen Ende in wenigen Sätzen darüber. Ein klein wenig mehr abstrakte Information darüber zu geben, könnte möglicherweise anderen in ähnlichen Situationen helfen. Aus dem Grund gibt es dieses Kapitel.

Genug der Einleitung. Auf der Arbeit kam der Stein ins Rollen, nachdem ich mich durch äußere Zwänge genötigt sah, meinen damals unmittelbaren Vorgesetzten über Milla zu informieren. Erstmal nicht so schlimm, denn ich hatte mich ja bereits dazu entschlossen, den Weg weiter zu gehen. Sonst hätte ich mich vielleicht anders aus der Situation manövriert. Hinauszögern hielt ich persönlich für feige. Ich hatte schon so viele notwendige Entscheidungen verschleppt. Dass es dann aber doch so schnell sein musste, kam ziemlich unerwartet. 

Also Termin mit Chef eingestellt und die Wahrheit auf den Tisch gelegt. Kurzes Schweigen. Starker Tobak. Seine spontane Reaktion: Akzeptanz, sachliche Analyse, Fragen, das zarte Aufblitzen positiver Neugier. Zumindest kam das bei mir so an. Das Erlebnis reihte sich in die Kette der positiven Erlebnisse der vorangegangenen Monate ein. Ich glaube, die Konfrontation mit dieser Art von Information weckte ein tiefgründiges Interesse als echte Führungskraft in ihm, menschlich einwandfrei die Fragestellung der Integration zu lösen, ohne dass jemand sein Gesicht verliert. 

Er bat um weitere Informationen zum Thema Transidentität, las sich ein und überließ mir die Aufgabe, über das Tempo zu entscheiden. Es kam die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Ich hatte nicht frei und musste arbeiten. Ebenso wie mein guter Freund aus dem Management, der mich zum Klettern brachte. In diesen Tagen saß ich irgendwie auf glühenden Kohlen. Das Outing in der Familie war abgeschlossen. Ich wollte so schnell wie möglich weitermachen. Forschte im Netz nach ähnlichen Situationen wie meiner und wurde fündig. Aus den Berichten anderer Transfrauen und eigenen Überlegungen kam ich zu dem Entschluss, meine Veränderung muss von möglichst weit oben in die Firma getragen werden und es galt, eine möglichst vollständige Kette an Führungskräften auf "meine Seite" zu bringen. Und so kam es, dass ich mir ein Herz fasste und auch ihn einweihte. Am letzten Arbeitstag 2016. Wie geschildert ging dieses Gespräch sehr emotionsgeladen von statten. Im Ergebnis überwältigend. Auch hier bedingungslose Unterstützung. Er bot sich an, mein Anliegen in die nächsten Etagen zu tragen und für Rückhalt zu sorgen.

In den ersten Tagen des neuen Jahres fand ein Termin zusammen mit meinem Spezl  beim Abteilungs- und Standortleiter statt. In einem persönlichen Gespräch vereinbarten wir die weitere Vorgehensweise. Mein Vorschlag, die Belegschaft zu einem Stichzeitpunkt mit einer einheitlichen Information zu versorgen, wurde angenommen. Als Ausführender bot sich der Abteilungsleiter an, wir legten besagten Zeitpunkt fest und ich stellte das Informationsschreiben über mich zur Verfügung. Bei diesem ließ sich die Geschäftsleitung ein Veto-Recht einräumen, da mein Outing auch eine gewisse Außenwirkung hatte. Doch sie machte keinen Gebrauch davon. Damit war der große Rahmen abgesteckt. 

Parallel zu diesen Maßnahmen entschied ich mich dazu, bestimmte Gruppierungen früher abzuholen, ihnen sozusagen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Für meine ehemaligen Kollegen eines großen IT-Konzerns, die als Fremdleister in meiner Firma tätig waren, übernahm ich das selbst. Für meine Teammitglieder ließ es sich mein Teamleiter nicht nehmen, diese Aufgabe wahrzunehmen. So wurden etwa 2 Wochen vor dem offiziellen Termin die Menschen, mit denen ich täglich zusammenarbeite, über die Besonderheit im Team informiert. Einen ganz großen Dank an meinen Teamleiter an der Stelle. Er leitete das Thema wundervoll ein, erklärte zunächst auf einer abstrakten Ebene worum es geht und führte dann langsam zu dem Teil über, in dem er erklärte, dass das alles gar nicht so weit weg ist, wie man vielleicht denkt. Es kommt sogar unter uns, in unserer kleinen Gruppe vor und verwies auf mich. Wieder kurze Stille. Dann Herzlichkeit, Glückwünsche zu dieser Entscheidung, Anteilnahme. Ein Kollege stand weinend auf und drückte mich. Inzwischen weiß ich, warum das so heftige Emotionen in ihm auslöste. Jeder hat sein Paket in seinem Leben zu tragen. Mehr will ich dazu hier nicht schreiben.

Es wurde in meiner Wahrnehmung in Summe positiv aufgenommen. Was sich jeder/jede einzelne denkt und wie mit der Information umgegangen wird, ist im Ermessen der Menschen. Das kann ich nicht beeinflussen. Alle sind auf irgendeine Art und Weise geprägt.

Danach war der Weg frei für den großen Tag. Besagter Donnerstag Ende Januar 2017 kam. Die gesamte Belegschaft an zwei Standorten, sowie einzelne Fremdleister und Lieferanten wurden zur gleichen Zeit mit der gleichen Information versorgt. Mit meinem Teamleiter war vereinbart, dass ich am darauffolgenden Freitag in meiner neuen Rolle zur Arbeit komme. Und ich solle bloß nicht kneifen, meinte er, nach all dem Aufwand. Und das tat ich dann auch. Es kostete Überwindung einerseits. Andererseits freute ich mich aus meinem tiefsten Inneren heraus, endlich so sein zu dürfen, wie ich wirklich bin.

In meinem Trans-Weg beschrieb ich bereits die Reaktion an meinem Standort. Das beste Ergebnis, wie ich finde, das man haben kann. Ich wurde von der ersten Sekunde an so behandelt als sei es nie anders gewesen. Das lag zum Einen daran, dass die Führungskräfte sich in dem Informationsschreiben klar zu mir positioniert hatten und sich als Filter quasi zwischen mich und den Rest der Belegschaft stellten. Damit sollte verhindert werden, dass vielleicht doch ungewollte Reaktionen zu mir durchdringen. Zum Anderen nahm ich war, dass die Menschen sich einfach für mich und meine Entscheidung freuten, es als positive Veränderung sahen und keine Schwierigkeiten damit hatten, dass ich so bin, wie ich bin.

Das bedeutet nicht, dass das alle gut finden müssen. Nein, überhaupt nicht. Ich will auch niemanden bekehren. Wie bereits mehrfach erwähnt, haben die Menschen (hoffentlich) ihre eigene Meinung dazu. Die Frage ist lediglich, ob ich weiterhin mit Respekt behandelt werde. Darauf kommt es an. Und das kann ich eindeutig mit "Ja" beantworten. Ich bemühe noch einmal Meister Yoda: "In einer coolen Firma mit coolen Menschen ich arbeite.".

Seit diesem Freitag Ende Januar 2017 bin ich in allen Lebensbereichen geoutet. Was ich nun daraus mache, liegt in meiner Hand. Der Rückhalt und die Akzeptanz bei den Kollegen und Kolleginnen helfen mir sehr dabei, in meiner Rolle anzukommen und weiterhin aufrecht durchs Leben zu gehen. Ganz herzlichen Dank dafür.

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